Ein Traum in ahorngelb

Sebastian hat einen wunderschönen Mercedes W116 von 1977.
Hier seine Geschichte:

Schon seit einigen Jahren hegte ich den Wunsch, mir einen „Altbenz“ aus
der Ära des üppigen Chromschmucks zuzulegen. Und das hätte genauso
gut ein /8 oder W123 sein können, wichtig war mir nur, dass der Benz
über einen 6-Zylinder und Automatik verfügt sowie ein Schiebedach hat.
Gerne durfte er auch in einer der für diese Zeit typischen „Fehlfarben“
daherkommen. Eine Zeit, in der selbst die Käufer einer neuen S-Klasse
nicht davor zurückschreckten, ihr neues Automobil der Oberklasse ab
Werk in Farben wie Mimosengelb oder Cayenneorange zu ordern.

Im Sommer 2017 habe ich dann eher zufällig bei einem kleinen, auf Old-
timer spezialisierten Händler in der Eifel meinen W116 280 S aus 1977
entdeckt. Ohne konkreten Kaufgedanken habe ich mich dazu entschlossen,
mir diesen Wagen einmal näher anzusehen, da er in der Farbkombination
DB 606 Ahorngelb in Verbindung mit der Innenausstattung Karostoff
„Bambus“ genau in mein Raster passte.

Beim Verkäufer fand ich eine kleine Halle vor, in der verschiedene Fahr-
zeuge aus allen möglichen Generationen zusammenstanden, mittendrin die
ahorngelbe S-Klasse. Der Verkäufer hatte leichtes Spiel, ich habe mich
gleich in den Wagen mit seinen unglaublich warmen Farbtönen und den
fetten Chromstoßstangen verliebt. Ich räumte mir noch einen Tag Bedenkzeit
ein, um nochmal eine Nacht darüber zu schlafen. Ganz so, wie es der Opa
getan hätte, als ob man nach dieser einen Nacht an zusätzlich gewonnener
„Lebenserfahrung“ irgendwelche signifikant besseren Entscheidungen treffen
würde oder ansonsten schlauer wäre. Um dann doch am nächsten Tag die
unwirtschaftlichste Ausgabe zu tätigen, die mir bisher aber größte Freude
bereitet hat.

So ist das alte Schätzchen also zu mir gekommen und hat gleich den Namen
Dorothea verpasst bekommen – ist ja als S-Klasse eine „Sie“. Dorothea ist ein
echtes Nordlicht und verbrachte die ersten fünf Jahre ihres Lebens im Fuhr-
park einer Firma in Bremen. Anschließend wurde sie von einem Herrn aus dem
Bremer Umland gekauft, der ihr über 20 Jahre die Treue hielt und in dieser
langen Zeit lediglich 60.000 km zurücklegte. Vermutlich ist ihm der gute Zu-
stand zu verdanken, da er den Wagen pfleglich durch eine Zeit gebracht hat, in
der die meisten 116er ihr Leben gelassen haben, weil sie einfach aus der Mode
gekommen waren, gerade in den 70er Farbtönen. Oder in die falschen Hände
gerieten, weil sie billig wurden.

Dorothea befindet sich heute in einem erstaunlich guten Zustand. Es ist zwar
kein perfektes Sammlerauto, bei näherer Betrachtung findet sich leichte Patina.
Aber gerade die Innenausstattung präsentiert sich in einem unglaublich guten
Zustand. Und so ist der Wagen nach der Einstellung des Vergasers und der
Montage neuer Reifen (die alten waren DOT 1990 ;-)) wieder voll einsatzfähig.
Ich nutze den Wagen, um damit auf Oldtimertreffen zu fahren oder einfach zu
meiner Entspannung gemütlich entlang der Mosel zu cruisen. Das ist insbeson-
dere an lauen Sommerabenden mit dem großen Schiebedach ein ganz be-
sonderes Erlebnis. Manchmal binde ich den 116 auch in meinen Alltag ein,
sofern da Wetter mitspielt. Ein Dauereinsatz empfiehlt sich bei den Verbräuchen
des kleinen Vergasers nicht. Um ihre Schönheit im Straßenverkehr voll zu ent-
falten, genehmigt sich Dorothea zwischen 12,5 und 15 Litern Sprit.

In wenigen Tagen feiert Dorothea ihren 42. Geburtstag. Vermutlich fällt die Party
jedoch etwas ruhiger aus, da Dorothea jetzt in den Winterschlaf wechselt.
Und für mich heißt es wieder warten auf den Frühling.

Mehr von Sebastian hier: www.instagram.com/w116_sebastian