Helmut hat auch einen wunderschönen Audi 100

Die schöne Hercules Supra 4 GP von Helmut hatte ich ja bereits vorgestellt:
www.knallert.de/2019/05/17/hercules-supra-von-helmut
Jetzt geht es um den Audi 100 von ihm. Aber lest selbst:

Meine Geschichte beginnt mit dem Umzug in einen Ort, der weiter von meinem
Arbeitsplatz weg lag als der bisherige…

Mein Alltagsauto war ein Audi A5, etwas tiefergelegt, mit 20 Zoll-Rädern. Der
hatte mich viel Geld gekostet und es tat mir irgendwie leid, täglich über 40 Km
mit ihm nur für die Arbeit zu fahren. Deshalb die Überlegung, für diesen Zweck
einen Zweitwagen in der Art eines alten VW Polos zu kaufen. Mit Oldtimern
hatte ich bis dato nix am Hut und auch kein Interesse!

Jetzt gab‘s da den Ingo. Ein alter Kumpel von früher den ich zufällig getroffen
hab. Wir sahen uns wieder öfters und so kam es, dass ich mal mit seinem VW
Bus T2 a aus 1970 mitfuhr. Ich fand das so klasse…der Sound, die fette Rund-
umsicht durch die schmalen Säulen und die Reaktion der Leute auf und an
der Straße!

Da hat‘s mich erwischt.
Scheiss auf Polo, such dir nen günstigen Oldtimer und fahr mit etwas Klasse zum
Arbeiten. Nur was für einer ??? Ich habe meine Lehre auf Audi gemacht, mein 
Vater fuhr schon immer Audi, alte Audi sind günstig…also suchen wir einen
Audi 60. Da hab ich mal einen tiefer gelegten auf einem Bild gesehen und fand den
cool.

Soweit so gut, ab ins Internet. Angebot eher mager, da ich am Bodensee wohne
und mein Suchradius durch den See bedingt nur Richtung Norden beschränkt ist.
Ich hatte mir maximal 3000€ als Budget vorgenommen und in der Nähe von Stutt-
gart einen für 2500,- entdeckt. Sah auf den Fotos so gut aus dass ich mir gleich
einen Hänger auslieh und mit einem Kumpel los fuhr, mit der Überzeugung dass
der heut Abend bei mir daheim steht. Pustekuchen…schrecklicher Zustand. Das
Chrom war gut, der Rest hielt nur durch Blechfetzen die aufeinander geschweißt
waren zusammen.
Der sah aus wie eine Arbeitshose die man seit 5 Jahren immer wieder zum
flicken gibt. Also, willkommen in der Realität. Was tolles bekommst für das
Geld nicht. Die Suche ging weiter, aber es gab im Umkreis einfach nix was
passte.

Eines Tages, wir waren auf dem Weg zu einem Weihnachtsmarkt ins Allgäu,
kam ich an einer Tankstelle vorbei…15 km von zuhause weg. Und da stand
doch tatsächlich ein savannenbeiger Audi 100 mit „zu verkaufen“-Schild an
der Straße !!! Sofort angehalten und den Wagen angeschaut. Verwittert, sicht-
bar Rost am hinteren Einstieg/Schweller, aber sonst irgendwie cool.

Hm…mein Vater hatte doch so einen als 2-Türer. Das erste Auto in dem ich
in meinem Leben mitfuhr. Der nostalgische/sentimentale Wert passte also
auch, fehlte nur noch der Preis. Am nächsten Werktag da hin und rausgefunden,
das Fahrzeug ist aus Erstbesitz von einer alten Frau und wird hier im Auftrag
verkauft. Bj.70, 56000 Km, scheckheftgepflegt und der letzte Kundendienst 1981
bei 50360 Km! Ich wollte ihn, aber nicht zu den von der Dame gewünschten
3000 €. Es wurde eine Tüvdurchsicht gemacht und dabei kamen natürlich noch so
manche Dinge ans Tageslicht. Unter anderem Rost, genauso wie Rost und Rost
gabs natürlich auch! Achsaufnahmen, Fußraum vorne recht und links, Radlauf
und Schwellerecken vorne rechts und links, zu guter Letzt noch der Lampenträger
links.

Jeder riet mir ab. Sagte „der holt Dich ein“, „Da kannst jedes Jahr den Schweiß-
brenner rausholen“, „der ist fertig“, … Ich bin kein begnadeter Schweißer, aber
ein Bekannter meinte dann dass er mir helfen würde, wenns keine Restauration
werden soll. Mir ging’s ja letztendlich auch nicht drum ein Austellungsfahrzeug
zu haben, sondern ich wollt ihn bei schönem Wetter täglich nutzen.

Mit dem Tüvbericht und dem Tankstellenbesitzer gingen wir dann zu der älteren
Dame. Die erzählte dann dass ihr Mann eine Kriegsverletzung hatte, nicht Auto
fahren konnte. Aber letztendlich sagte er dann 1970 „Frau, wir brauchen jetzt ein
Auto“. So kam es dann, dass dieser 100er gekauft und nur von ihr gefahren wurde.
Sie hing natürlich an ihm und es brach mir das Herz als ich sie im Preis gedrückt
hab. Aber er war eben auch wirklich nicht mehr wert und mit den Worten „solange
Sie ihn nicht verscherbeln…“ einigten wir uns auf 1900 Euro. Ich bekam sämtliche
Unterlagen mit. Leider fehlt die Originalrechnung, aber vieles andere ist dabei und
recht interessant durchzublättern.

Am gleichen Tag holte ich ihn noch ab und am Samstag drauf ging es los mit
schweißen. Dank dem einen oder anderen „Teilehändler“ und vor allem Herr
Wenzel, war ein kleines Licht am Ende des Tunnels zu sehen!

Manchmal wünschte ich mir einen Käfer gekauft zu haben. Es ist einfach
unglaublich schwer dieses Auto mit Teilen zu versorgen…Nach 3 Samstagen
schweißen gings dann an die Technik.
Die Uhr ging nicht, die Tankuhr ging nicht, der Tacho stand festgemauert auf
40 Km/h, usw. Neuen Tacho ersteigert (gleich 2 mal, weil ich nicht wusste
dass es die in zig Übersetzungen gab), die Uhr hat der findige Sohn meines
Nachbars repariert und die Tankuhr sollte mich noch zur Weißglut bringen.
Nach Tankgeber ausmessen, Kabel durchmessen, Tankuhr wechseln, stellte
sich dann letztendlich heraus dass der Vorwiderstand vom Kombiinstrument
schuld war. Jetzt gab‘s noch den kleinen Drehzahlmesser als Geschenk und
es konnte losgehen.

Ich wollte meinen Vater mit dem Auto überraschen und hatte mich mit meiner,
mittlerweile Frau, zum Kaffee bei meinen Eltern angemeldet. Als wir uns auf den
25 Km langen Weg machten, war nach 14 Km leider Ende. Es ließ sich anfangs
nur noch der 3. und 4. Gang einlegen und am Schluss eben gar keiner mehr.

Schön. Meinen Vater angerufen, gesagt dass wir ne Autopanne haben und
gefragt ob er uns zum Kaffee abholen könnte. Als meine Eltern angefahren
kamen sah ich nur wie mein Vater beim Aussteigen den Kopf schüttelte und
sagte wo hast denn den alten Geppel her !? Ich hatte eigentlich mit sentimentaler
Begeisterung gerechnet, die blieb aber leider aus.

Der ADAC brachte meine neue Errungenschaft nachhause. Auf der Suche nach
dem Fehler fand ich dann das „Kau“gummilager unter der Mittelkonsole. Sowas
hatte ich noch nie gesehn. Ärgerlich, aber es war zu reparieren.

Mit ständig ungutem Gefühl fuhr ich jetzt immer größere Spazierfahrten. 2
Monate später machte auf einmal die Bremse nicht mehr auf. Ich ging vom
schlimmsten aus, neuer Bremskraftverstärker…

Der Bekannte der mir beim Schweißen half tippte aber eher auf die Brems-
schläuche. Letztendlich hat er ja nur einen und der sah eigentlich ganz gut aus.
Trotzdem kam beim Versuch zu entlüften kein Tropfen Flüssigkeit raus.
Er war tatsächlich nach innen zugequollen. Sowas war mir (der 1996 die Kfz-
Lehre gemacht hat) ebenfalls fremd. Neuer Schlauch rein, Bremse ging wieder.

Das ist jetzt 4 Jahre her.
Mittlerweile fährt er zuverlässiger als mein Alltagsauto, meine Frau hat auch
wieder vertrauen in ihn, er war letztes Jahr unser Hochzeitsauto und hat mittler-
weile 20000 Km mit uns runtergespult.

Er macht mir sehr viel Freude, es ist einfach ein spezielles Gefühl, er ent-
schleunigt das Leben. Zumindest auf der Straße.

Die alte Dame bekommt jedes Jahr, mal vor dem Standesamt, mal in den
Bergen, ein Foto von „ihrem“ Auto und freut sich darüber…als ob man eine Katze
in gute Hände abgegeben hat. Ich hoffe ich besitze ihn noch einige Jahre und
schaffe es, dass meine Tochter ihn vielleicht noch fährt.